Im Oktober 2016 fand in Heidelberg das erste TEDx-Event statt. Meine Eindrücke vom Event kannst Du hier im Blog nachlesen, die Videos mit den inspirierenden Vorträgen gibt es bei youtube. Schon bald nach dem Event war klar, dass der Hauptorganisator Jannis Kuhlencord mit seinem Team eine weitere TEDx-Veranstaltung organisieren wird. Am 28.11. ist es nun so weit. Höchste Zeit, Jannis für meine „Perspektiven auf soziales Engagement“ nach seiner Motivation zu fragen.
Jannis, wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Jannis Kuhlencord, und ich bin unter anderem Organisator von TEDxHeidelberg. Ich studiere Politikwissenschaften und habe gerade zwei Jahre Pause hinter mir, um mich TEDx zu widmen. Im wissenschaftlichen Kontext hat mir das Arbeiten mit Menschen und mit neuen Ideen gefehlt. Daher habe ich entschlossen, zu pausieren und mich in dieser Zeit sehr auf das Veranstaltungsmanagement konzentriert. TEDxHeidelberg ist das größte Projekt, das ich betreue. Als Projektkoordinator habe ich außerdem die „12MinutesMe“-Veranstaltungsreihe in der Rhein-Neckar-Region betreut und mitgestaltet. Jetzt bin ich neben dem Studium selbständiger Eventmanager und möchte mich besonders in 2018 mit eigenen Veranstaltungsformaten ausprobieren. Meine Idee hinter allem was ich tue: Ich möchte verschiedene Akteure der Region zusammen- und den Ideenaustausch voranbringen.
Zum zweiten Mal wird es ein TEDxHeidelberg geben. Ihr arbeitet mittlerweile mit einem ziemlich großen, ehrenamtlichen Team. Wie viele seid Ihr?
Wir sind 17. Das ist ein starkes Team, das vieles auffangen kann. Gerade im ehrenamtlichen Bereich fallen auch immer mal wieder Leute bei der Organisation weg, weil sie verständlicherweise den Fokus auf die eigene Arbeit legen müssen. Daher ist diese Teamgröße durchaus sinnvoll. Letztes Jahr war die Gruppe stärker studierendenlastig, dieses Mal ist das Team diverser. Wir haben Menschen unterschiedlicher Generationen und Professionen dabei.
Das Engagement ist hoch, aber ich versuche wirklich aufs Team zu achten. Denn ich möchte die Leute, mit denen ich arbeite, natürlich nicht ausbrennen. Jemand, der zu viele Baustellen schultert, kann schnell ausfallen, da ist die Selbstfürsorge und das Achten auf die eigene Gesundheit ganz wichtig. Bei mir ist das genauso. Am Ende steht der Spaß am gemeinsamen Arbeiten im Vordergrund.
Ich wäre wohl nicht mehr in der Lage, eine solche Veranstaltung zu organisieren, wenn ich nicht Menschen um mich gehabt hätte, die auf mich achteten und mir sagten, jetzt ist mal genug! Es ist entscheidend, den Mittelweg zwischen Engagement und Selbstfürsorge zu finden.
Wieso TEDx? Was ist das Faszinierende für Dich?
TEDxHeidelberg ist mein Herzensprojekt. Das muss auch so sein, denn wenn keine monetäre Motivation hinter einem solchen Projekt steckt, dann trägt die Leidenschaft von Team und Partnern alles. Ich vergleiche das TEDx-Format gerne mit einem Befreiungsschlag im Hinblick auf das Lernen. Nehmen wir die Kinder: Sie gehen mit offenen Augen durch die Welt, zeigen auf Dinge, benennen Sachen, die sie noch nicht benennen können, fragen viel. Das Spannende am TEDx-Format ist, dass es Erwachsenen die Möglichkeit gibt, sich mit Themen auseinander zu setzen wie Kinder es tun würden. Frei und ohne Angst Fragen zu stellen. Von uns als Erwachsenen wird immer angenommen, dass wir bestimmte Dinge nicht mehr fragen müssen bzw. einfach wissen. Wir haben da diese Vorstellung, dass wir ab einem gewissen Alter einfach Experten sind. Aber das stimmt ja immer nur in einem ganz kleinen Bereich.
TEDx bietet die Möglichkeit, Ideen und Zusammenhänge so herunterzubrechen, dass spannende Anknüpfungspunkte geboten werden und man auch als Laie versteht, was dahinter steckt. Oft gibt es dann überraschende Effekte und wir erhalten Rückmeldungen wie „Das Thema hat zwar nichts mit meinem eigenen Bereich zu tun, aber die Lösungsstrategie kann ich auch für mich nutzen!“ Das ist das Faszinierende.
Für mich ist TEDx eine der stärksten Möglichkeiten, den Dialog in der Gesellschaft voranzubringen. Es muss mehr Austausch geben, der auf gegenseitigem Interesse und Achtsamkeit beruht.
Besonders großartig für mich ist, wenn ich sehe, wie die Menschen auf so einem Event miteinander diskutieren, wie so ein Funkeln in den Augen entsteht. Wie Ideen im Raum richtig greifbar werden. Diese intensiven Gespräche, die Anteilnahme, die Emotionen und auch alles, was im Nachhinein passiert: Das ist mein ganz persönlicher Veranstaltungserfolg.
Wie viele Stunden Arbeit fließen in eine solche Konferenz?
*rechnet*. Etwa 2500 Stunden Arbeit, schätze ich. Gerade sind wir in der letzten Phase, in der gibt es nun keine Pausen mehr. Öffentlichkeitsarbeit, Raumplanung, Speaker-Ansprache, Kommunikation mit den Partnern etc. – alles geht nun Schlag auf Schlag. Natürlich läuft die Arbeit für eine solche Konferenz über das ganze Jahr, allerdings gibt es immer wieder weniger intensive Phasen.
Aktuell kümmere ich mich darum, dass unsere Partner sich ebenfalls gut einbringen können, und sich eingebunden fühlen. Ein solches Format funktioniert nicht ohne starke finanzielle und ideelle Partner.
Mit welcher Besucherzahl rechnet Ihr in diesem Jahr?
Wir rechnen mit knapp 450 Teilnehmenden in der Stadthalle. Noch gibt es Karten. 🙂
Das Überthema dieses Jahr ist „Active Listening“. Erklärst Du, was es damit auf sich hat?
Dahinter steht die Idee, dass wir nur dann gesellschaftliche Veränderungen erwirken können, wenn wir dem Zuhören wieder mehr Raum geben. Es ist wichtig, allen Menschen zuzuhören. Auch und gerade, wenn die Menschen unsere eigene Meinung nicht teilen.
Der individuelle Wert des Zuhörens ist dabei immer subjektiv: Was wir aus Gesprächen herausziehen und wie viel wir bereit sind, zu investieren, geht von „Das berührt mich nur bedingt“ bis hin zu „Das berührt mich sehr, da gehe ich stark mit“.
Unsere Einladung im Vorfeld, um dieses Spektrum des Zuhörens abzubilden, war ein Aufruf. Menschen sollten ihre Geschichte erzählen, und wir hörten zu. Dabei versuchten wir, das Ganze so wenig wie möglich zu steuern und nicht einzugreifen, was alles erzählt wird. Das Ergebnis und die Arbeiten des Künstlers Tapiwa Meda, der Menschen aus unserer Community interviewt hat, wird beim TEDxHeidelberg gezeigt werden und dazu einladen, die eigene Haltung zum Zuhören zu reflektieren.
Was muss jemand mitbringen, der sich bei Euch engagiert?
Da spielen drei Faktoren für mich eine Rolle: Das eine sind die Kapazitäten: Gerade beim Ehrenamt muss jemand, der sich engagieren möchte, eine gute Einschätzung der eigenen Kapazitäten haben. Dabei gibt es kein „Mindestmaß“ an Aufgaben oder Stunden. Man kann sich also auch in einem kleinen Rahmen einbringen, es muss nur vorher klar abgestimmt werden. Der zweite wesentliche Punkt ist die Motivation: Warum wollen die Menschen Teil des Teams werden? Sind sie sich im Klaren über den Prozess, der zu der Veranstaltung führt? Unterschiedliche Motivationen sind kein Problem, aber sie sollten vorher klar kommuniziert werden. Der dritte wichtige Punkt sind Erfahrungswerte und Kompetenzen.
Grundsätzlich gilt: Auch nach dem TEDxHeidelberg steht vieles an! Wir wollen die Community ausbauen, Projekte anstoßen und haben auch mit dem Verein, den wir gegründet haben, noch einiges vor. Wer also gerne Teil von TEDxHeidelberg wäre, meldet sich am besten bei uns.
Hand aufs Herz: Möchtest Du die Welt retten?
Selbstverständlich. Wer ein Ehrenamt so ausufernd betreibt, der ist immer idealistisch motiviert. Das „Welt retten“ ist aber leider auch ein harter Kampf, in dem man zwischen Euphorie und Resignation stetig schwankt.
Wahre Worte. Vielen Dank für das Interview, und alles Gute für den 28. November! Ich freue mich schon sehr darauf!
Titelbild: Jörg Kropp, © atelierkropp.de
Fotos mit freundlicher Genehmigung des Teams von TEDxHeidelberg.