Das Treffen mit Laura Zöckler von den Bürgerwerken hatte ich mir schon ewig vorgenommen. Nicht nur weil es viel Spaß macht, sich mit Laura zu unterhalten. Sondern auch, weil ich als überzeugte Abnehmerin von Ökostrom gerne mehr erfahren wollte: Über den Strommarkt, über erneuerbare Energien, und über die Idee, die Energiewende als Bürgerbewegung zu organisieren. Eine Genossenschaft gründen, um ein globales Problem zu lösen – so hat Arne Knöchel von den „Waldmenschen“ seine Idee beschrieben. Die Bürgerwerke sind der konsequente zweite Schritt: Sie schließen die Genossenschaften im Bereich erneuerbare Energien zu einem Netzwerk zusammen.
Liebe Laura, kurz und knapp: Was machen die Bürgerwerke?
“Die Bürgerwerke sind ein Zusammenschluss von Energiegenossenschaften, die gemeinsam 100% ökologischen Strom liefern, und das deutschlandweit. Für unsere Mitgliedsgenossenschaften kümmern wir uns um energiewirtschaftliche Aufgaben und bauen ein starkes Netzwerk für die Energiewende auf. Unsere Dachgenossenschaft sitzt in Heidelberg.”
Wie viele Genossenschaften habt Ihr denn bei den Bürgerwerken?
“Die Bürgerwerke starteten 2013 mit 9 Energiegenossenschaften, heute sind wir 70. Es gibt in Deutschland insgesamt circa 900, wobei die Frage ist, wie aktiv einige davon noch sind. Das bedeutet, wir haben bereits knapp 10 % der Energiegenossenschaften bei uns. Für die Genossenschaften ist die Zusammenarbeit mit uns aus verschiedenen Gründen sehr interessant: Wir bieten Netzwerk und Austausch, Übernahme der Abrechnungen und Weitergabe der Einnahmen aus der Stromlieferung.
Auf unserer Website und in unserer Kommunikation bemühen wir uns um große Transparenz. Jeder kann zum Beispiel die Anlagen anschauen, aus denen unser Bürgerstrom stammt. Wir haben eine extrem geringe Kündigungsquote, weil die Menschen, die sich für unseren Bürgerstrom entscheiden, hinter dem Konzept stehen.”
Stichwort Energiegesetze: Das ist ja ein kompliziertes Feld. Wie ist die staatliche Bezuschussung bzw. Vergütung momentan geregelt?
“Die meisten Genossenschaften im Bereich erneuerbare Energien haben sich in den letzten 10 Jahren gegründet, weil sie eine sichere Vergütung durch das EEG erwarten konnten. Diese Vergütungen nehmen nun immer mehr ab. Seit einiger Zeit müssen alle Erneuerbare-Energien-Projekte ab einer bestimmten Größe in eine Ausschreibung. Bisher war es auch für kleine Genossenschaften einfacher, eine Anlage zu bauen und eine Vergütung zu erhalten. Man musste dazu nur eine Fläche finden und konnte sofort planen und bauen. Jetzt müssen Projekte mit entsprechendem Businessplan eingereicht werden, und dann wird ermittelt, wer den Zuschlag bekommt.
Genossenschaften können diese Ausschreibungen aber kaum mitmachen, weil sie die Risikokosten nicht tragen können. Wenn die Ausschreibung abgeschlossen ist, ist im schlimmsten Fall das für die Bewerbung investierte Geld weg. Nur noch große Konzerne können sich das überhaupt leisten.
Wir reden hier von einem echten Spannungsverhältnis: Im Grunde ist es richtig und wichtig, dass die Vergütungen durch das EEG abnehmen, aber vor allem die kleinen Genossenschaften fallen bei größeren Ausschreibungen durchs Raster.
Man sieht: Die Energiewirtschaft ist ein ziemlicher Dschungel aus Gesetzen. Aber auch hier bietet die Bürgerwerke-Gemeinschaft einen guten Rückhalt.”
Habt Ihr Pläne für die Zukunft der Bürgerwerke, gerade im Hinblick auf die Unabhängigkeit von Vergütungen?
“Unsere Idee ist: Wir wollen unsere Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft zur zentralen Säule der Energieversorgung machen und so regionale Kreisläufe schließen. Der Strom muss dann nicht mehr über lange Strecken über das Netz transportiert werden, sondern kann direkt vor Ort unabhängig von staatlichen Vergütungen von uns Energiebürgern verbraucht werden. Das ist derzeit noch nicht möglich.”
Wie erklärst Du anderen, warum sie einen ökologischen Stromanbieter nehmen sollten?
“Es gibt gute Portale, die veranschaulichen, wie das mit echtem Ökostrom funktioniert. Und wir erklären das immer mit folgendem Bild.
Wir sagen, frage Dich, wo das Geld hin fließt. Gibst Du es jemandem, der Erneuerbare-Energien-Anlagen baut? Oder gibst Du es irgendeinem anderen Anbieter, der sich nicht für die Energiewende einsetzt, sondern mit deinem Geld oft sogar Kohle- oder Atomstrom finanziert?”
Wie finde ich das denn heraus?
“Da gibt es Kriterien und Siegel. In Deutschland gibt nur sehr wenige echte Ökostrom-Anbieter, die tatsächlich alle Kriterien erfüllen. Die Bürgerwerke gehören dazu, der TÜV überprüft jährlich unabhängig unsere Stromherkunft. Wer sich gerne einlesen möchte, kann bei „utopia“ schauen. Da sind die 10 besten Ökostromanbieter vorgestellt. Die Bürgerwerke sind auf Platz 1, was uns natürlich riesig freut.”
Nicht die einzige Auszeichnung, wenn wir gerade bei dem Teil mit dem Schulterklopfen sind. 2016 habt Ihr den „Next Economy Award“ gewonnen.
“Das war eine wichtige Anerkennung und eine wegweisende Auszeichnung, ja! Wir wurden in der Kategorie „Social Entrepreneurship“ ausgezeichnet – denn es geht bei uns nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern eben auch um die gesellschaftliche Teilhabe und die Demokratisierung unserer Energieversorgung.”
Kannst Du ein Beispiel geben für die Arbeit der einzelnen Energiegenossenschaften aus der Bürgerwerke-Gemeinschaft?
“Vielleicht das Mieterstrommodell der Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG) in Nußloch, das ist 2014 mit dem Deutschen Solarpreis ausgezeichnet worden. Das Projekt ist ein wenig aus der Not geboren: Die HEG wollte vor Ort eine Solaranlage bauen, auf einem Mietshaus. Zu dieser Zeit wurden 90 % des produzierten Stroms über das EEG vergütet, 10 % mussten selber direkt vermarktet werden. Die HEG hat sich gedacht, dass sie ja auch gleich die Mieter fragen kann, ob sie den Strom haben wollen. Diejenigen, die wollten, sind Kunden bei der Heidelberger Energiegenossenschaft geworden und haben nun 20 Jahre lang garantiert den gleichen Strompreis. Die HEG hat für das Projekt die Kalkulation, das Konzept und die technische Umsetzung gemacht: Erfahrungswerte, die wir über unser Netzwerk jetzt auch an die anderen Genossenschaften der Bürgerwerke-Gemeinschaft weitergeben können.”
Wie viel arbeitest Du für die Bürgerwerke, und wie hast Du dort angefangen?
“Momentan sind es etwa 15 Stunden/ Woche mit Aussicht auf mehr. Nach meinem Abschluss würde ich gerne Vollzeit dort arbeiten. Ich kümmere mich vor allem um Social Media und die Website, schreibe den Newsletter und mache Pressearbeit.
Ich dachte immer, ich weiß gar nicht, was ich später machen will. Dann habe ich gemerkt, dass alles was ich bisher gemacht hatte, schon in eine Richtung ging. Und dass ich immer etwas mit erneuerbaren Energien machen wollte.
Als ich mit meinem Studium begonnen habe, bin ich aus Interesse zur Heidelberger Energiegenossenschaft gegangen. Dort habe ich die vier Gründer der HEG kennen gelernt und helfe seitdem ehrenamtlich mit. Zwei der vier Vorstände bauten 2013 dann die Bürgerwerke auf. Nach der Gründung habe ich dort ein Praktikum gemacht, danach haben sie mich nicht mehr ganz gehen lassen. :)”
Kannst Du Deine Motivation und Faszination für das Thema in Worte fassen?
“Ich bin sehr von meinen älteren Geschwistern geprägt worden. Die waren immer schon „ziemlich öko“ und erzählten mir, wie toll erneuerbare Energien sind.
Ich bin heute komplett davon überzeugt, dass die Energiewende alternativlos ist. Und ich freue mich jeden Tag, meinen Teil dazu beizutragen.”
Hand aufs Herz. Möchtest Du die Welt retten?
“Ja.”
Was müssen Menschen mitbringen, um sich bei Euch zu engagieren? Ehrenamtliche Helfer zum Beispiel?
“Ehrenamtlich mitarbeiten ist zum Beispiel bei den Genossenschaften vor Ort sinnvoll. Da kann man gemeinsam Projekte umsetzen, mitmischen, Anlagen bauen … Die Bürgerwerke funktionieren nur durch dieses ehrenamtliche Engagement.
Wir sind dort inzwischen 14 Mitarbeiter, nicht alle arbeiten Vollzeit. Hinter uns stehen aber 100-200 sehr aktive Ehrenamtliche und über 12.000 Genossenschaftsmitglieder. Ohne das ehrenamtliche Engagement für die Energiewende vor Ort wäre es schließlich gar nicht zu den Bürgerwerken gekommen. So hat alles angefangen.”
Wie geht es bei Euch weiter?
“Neben der Versorgung von Haushalten mit Strom entwickeln wir noch andere Geschäftsmodelle. Die Themen Wärme und Carsharing treiben uns dabei um. Außerdem wollen wir uns natürlich weiter am Markt etablieren, wachsen und noch mehr Menschen davon überzeugen, in die Genossenschaften zu kommen oder sich mit unserem Bürgerstrom zu versorgen. Das Genossenschaftsprinzip eignet sich für die Umsetzung der Energiewende sehr gut. Häufig bekommen wir die Rückmeldung, dass gerade die Partizipation und die Kooperation als sehr positiv empfunden werden. Wir machen die Energiewende selbst, und das gemeinsam. Das ist das vorherrschende Gefühl.”
Liebe Laura, vielen Dank für das Gespräch!
Randnotiz:
Die Bürgerwerke haben vor kurzem das Projekt Barikama, bei dem ich ehrenamtlich helfe, mit einem kleinen Sponsoring unterstützt. Das Filmteam des crowdfinanzierten Projektes will ein soziales Unternehmen in Afrika begleiten und dokumentieren, wie erneuerbare Energien in Entwicklungsländern angenommen werden und was sie verändern. Ich freue mich sehr, einen Beitrag zu dieser Kooperation geleistet zu haben und hoffe, dass die geplante Dokumentation zustande kommt. Wer gerne mehr über die Bürgerwerke lesen möchte, kann sich neben der Website auch auf facebook informieren. Hier postet Laura viele aktuelle Neuigkeiten rund um Erneuerbare Energien und die Arbeit der Bürgerwerke.
Beitragsbild: Generalversammlung 2016, Gruppenbild. Copyright bei der Bürgerwerke eG